Untersuchung über die Ablehnung von Entschädigungsanfragen

Untersuchung über die Ablehnung von Entschädigungsanfragen

Von Ada Kozłowska・Letzte Aktualisierung: 4. Oktober 2019

EU Fluggastrechte EC261

Seit 2004 müssen Flugpassagiere gemäss Verordnung EC261/2004 entschädigt werden für Flüge, welche entweder annulliert oder überbucht worden sind. Der oberste Europäische Gerichtshof hat zudem im Oktober 2012 entschieden, dass dies auch für Flüge gilt, welche 3 Stunden oder mehr verspätet sind. Dies gilt allerdings nur für Fälle, deren Ursache keine ausserordentliche Umstände sind wie z.B. Streik oder schlechtes Wetter, wofür die Fluggesellschaften nicht verantwortlich gemacht werden können. Die Höhe der Entschädigung ist abhängig von der Flugdistanz, der Herkunft der Fluggesellschaft, dem Abflugort und von einigen anderen Faktoren.

Legal Background

Die Verordnung 261/2004 ist am 17. Februar 2005 in Kraft getreten. Sie ist die Nachfolgeregelung für die Verordnung 295/91, welche ausschliesslich Fälle von Überbuchungen geregelt hatte. Mit der neuen Verordnung wurde die finanzielle Entschädigung für annullierte Flüge eingeführt sowie die Verpflichtung zur Betreuung bei Verspätungen und der Schutz des Fluggastes bei Überbuchung.

Es gab zahlreiche Debatten am Europäischen Gerichtshof (EGH) über die Verordnung 261/2004. Bis heute gibt es diesbezüglich mindestens 14 wichtige Urteile. Einige davon haben zur nochmaligen Stärkung der Fluggastrechte beigetragen. Speziell das Urteil von Sturgeon im November 2009 ist von grosser Bedeutung, zumal dort Verspätungen von mehr als drei Stunden den Annullierungen gleichgestellt wurden.

Immer wieder haben sich die Fluggesellschaften gegen die Verordnung 261/2004 gewehrt – bis heute erfolglos. Auch gegen das oben genannte Sturgeon Urteil wurde heftigst gekämpft. Die Begründung war, dass dieses nicht konform ist mit der Verordnung 261/2004 selbst wie auch mit dem Montrealer Abkommen und vielen anderen Urteilen.

Der Europäische Gerichtshof bestätigte 2009 und 2012 noch einmal die Entscheidung, dass bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden ein Anspruch auf Entschädigung entsteht im Sinne der Verordnung 261/2004, es sei denn, die Fluggesellschaft kann “ausserordentliche Umstände” geltend machen, welche ausserhalb Ihrer Verantwortung liegen. Es wurde ebenfalls entschieden, dass der Entschädigungsanspruch für verspätete Flüge im Einklang steht mit dem Montrealer Abkommen.

Die Definition von „ausserordentlichen Umständen“ war ein weiterer Grund für Streitigkeiten zwischen Fluggesellschaften und Passagieren. Aber auch hier kam der Europäische Gerichtshof im Fall Wallentin-Herman zum Urteil, dass nicht sämtliche „technischen Probleme“ als „aussergewöhnliche Umstände“ angesehen werden können. Erst kürzlich wurde dies ein weiteres mal bestätigt im Fall Jet2 gegen Huzar in England.

Studie

Unsere Studie basiert auf 2’752 Flügen, welche in der Periode vom 25. August 2013 und dem 25. September 2014 durchgeführt wurden. Passagiere aus folgenden Ländern werden in der Studie repräsentiert: Dänemark, Schweden, Norwegen, Deutschland, UK, Irland, Polen, Frankreich, Holland, Schweiz, Österreich, Italien, Spanien und Portugal. Sämtliche Passagiere haben eine Entschädigungsforderung bei AirHelp eingereicht. AirHelp hat diese Forderungen an die entsprechenden Fluggesellschaften weitergeleitet. 15 der meist genannten Rückweisungsgründe wurden erfasst und sämtliche Antworten der Fluggesellschaften entsprechend kategorisiert.

Über AirHelp

AirHelp wurde 2013 gegründet mit dem Ziel, Flugpassagieren zu helfen, Ihre Entschädigungen zu erhalten von Airlines im Falle von Verspätungen, Annullierungen oder Überbuchungen. AirHelp ist aktiv in 17 Ländern und in 14 verschiedenen Sprachen. Bis heute wurden bereits 66’000 Passagieren geholfen auf Flügen von 241 verschiedenen Fluggesellschaften. Es ist die Mission von AirHelp, die erlittenen Unregelmässigkeiten bei Flügen für die Passagiere etwas erträglicher zu machen.

Der betroffene Passagier kann seine Entschädigung kostenlos entweder online oder über die AirHelp App anfordern. Im Erfolgsfall behält AirHelp eine Provision von der an die Fluggesellschaft gezahlten Vergütung für sich. Sollte AirHelp keinen Erfolg haben mit der Entschädigungsforderung, ist der Service kostenlos. Ein internationales Netzwerk von Anwälten und Flugdatenexperten arbeitet für AirHelp, immer mit dem Ziel, den ursprünglich langen und bürokratischen Prozess für den Kunden so einfach wie möglich zu machen. Wird eine Forderung unrechtmässig abgelehnt von der Fluggesellschaft, werden im Namen des Passagieres rechtliche Schritte unternommen.

Das Untersuchungsergebnis

  • Flugpassagiere sind sich oftmals nicht bewusst ob deren Rechte oder schaffen es nicht, Unterstützung zu erhalten weder von der Fluggesellschaft noch vom Reisebüro oder der Versicherungsgesellschaft. Diese Unternehmen tendieren eher dazu, die Verantwortung an den anderen abzuschieben und einen frustrierten Passagier zu hinterlassen.
  • 50% von allen Anfragen werden nicht innerhalb von den von der EU festgesetzten 6 Wochen beantwortet.
  • 8% von den Anfragen werden von den Fluggesellschaften abgelehnt, ohne dafür einen Grund anzugeben; und dies obwohl die Beweislast bei der Fluggesellschaft liegt.
  • 93% von allen abgelehnten Anfragen (ausgenommen davon sind „keine Antwort“ und „kein Grund angegeben“) werden mit einer Begründung abgelehnt, welche vom Europäischen Gerichtshof nicht als „ausserordentliche Umstände“ akzeptieret wird.

Gründe für die Ablehnung durch die Fluggesellschaft

Unsere Untersuchung stellt die Gründe dar, welche für das Ablehnen von Entschädigungsforderungen von den Fluggesellschaften angegeben werden. Haben wir eine Antwort erhalten, wurden „aussergewöhnliche Umstände“ in der Mehrheit der Fälle als Ursache angegeben. Aus Tabelle 2 können die von den Fluggesellschaften meist genannten Ursachen entnommen werden. Für diese Untersuchung wurden sowohl low cost Airlines berücksichtigt (Ryanair, Norwegian, EasyJet und Primera) als auch herkömmliche Carrier (British Airways, Lufthansa, AirFrance/KLM, SAS und United) aus den grössten Ländern der EU und aus den USA.

Keine Antwort

In 50% der abgelehnten Fälle haben die Fluggesellschaften nicht innerhalb von sechs Wochen geantwortet. Auf 23% der Entschädigungsforderungen wurde gar nie geantwortet. Diese hohe Rate von unbeantworteten Anfragen zeigt, dass die Fluggesellschaften nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um die stetig wachsende Anzahl von Fällen zu verarbeiten.

Oder es wird darauf spekuliert, dass der Kunde die Anfrage aufgibt, wenn er keine Antwort kriegt. Dies könnte auch erklären, warum die Fluggesellschaften keinen Grund angeben für das Ablehnen der Anfrage (8% aller Fälle).

Technische Probleme

Für die grosse Mehrheit der abgelehnten Fälle gilt als Ursache „technische Probleme“ (24%). Und dies obwohl der Europäische Gerichtshof klar festgelegt hat, dass „technische Probleme“ nur dann als „ausserordentliche Umstände“ akzeptiert werden, wenn deren Ursprung Ereignisse sind, welche für den normalen Betrieb einer Fluggesellschaft als nicht dazu gehörend anerkannt werden und wenn diese ausserhalb der Verantwortung der Fluggesellschaft liegen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Hersteller des Flugzeuges oder eine entsprechende Behörde ein Grounding verhängen würde wegen eines gravierenden technischen Mangels, welcher die Flugsicherheit beeinträchtigen könnte.

Sowohl die low-cost Gesellschaften wie Ryanair, Norwegian und Primera als auch herkömmliche Gesellschaften wie Britisch Airways, AirFrance und SAS geben „technische Probleme“ an als Hauptursache für das Ablehnen einer Forderung.

Selbstverständlich können Faktoren wie Flottenmix, Unterhaltsanforderungen oder logistische Vorgänge im allgemeinen einen unterschiedlichen Prozentsatz von „technischen Problemen“ generieren. Es wäre jedoch zu erwarten, dass bei einem breit angelegten Vergleich von EU Fluggesellschaften, welche alle die gleichen Flughäfen anfliegen und den gleichen Luftraum benutzen diese Prozentsätze ebenfalls ähnlich sind.

Dies könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass Entschädigungsforderungen von den Fluggesellschaften systematisch abgelehnt werden mit der Begründung „technische Probleme“.

Vorangegangene Flüge

Kommt eine Verspätung oder eine Annullierung zustande wegen eines Vorfalles auf einem vorangegangenen Flug, muss die Fluggesellschaft einerseits beweisen, dass dem so ist, und andererseits darlegen, warum es ihr nicht möglich war, entsprechende Schritte einzuleiten, um weitere Folgevorfälle zu vermeiden. Wurden sämtliche angemessenen Massnahmen ergriffen, um den Dominoeffekt der Verspätungen zu vermeiden, kann dies als ausserordentlicher Umstand gesehen werden. Generell muss aber gesagt werden, dass die Fluggesellschaften genug Zeit haben, um sicherzustellen, dass der Passagier rechtzeitig am Zielort ankommt.

Diese Ursache wird oft genannt in Kombination mit „schlechtem Wetter“.

Andere Gründe

Lufthansa, KLM und SAS zeigen eine gewisse Vielfalt an Antworten wie z.B. „Probleme beim vorherigen Flug“, „Streik“ oder „Wetter Bedingungen“, welche alle etwa gleich oft genannt wurden. Dies zeigt ein wesentlich zutreffenderes Bild von den tagtäglichen Herausforderungen, welche diesbezüglich an eine Fluggesellschaft gestellt werden und ist ein klarer Hinweis darauf, dass Entschädigungsforderungen hier nicht einfach systematisch abgelehnt werden. Die Fälle scheinen analysiert zu werden, damit danach eine adäquate Entscheidung gefällt werden kann.

Fazit

Unsere Untersuchung zeigt sehr unterschiedliche Verhaltensmuster bei den Fluggesellschaften, welche auf denselben Flughäfen und in denselben Lufträumen operieren.

Einige Fluggesellschaften beantworten die Anfragen gar nicht oder begründen die Ablehnung auf eine Art und Weise, welche klar zu erkennen gibt, dass sie nicht einverstanden sind mit der Gesetzgebung. Andere Fluggesellschaften geben als Grund immer nur „technische Probleme“ an, wo man doch auch andere Ursachen wie „schlechtes Wetter“, „Flughafenprobleme“ oder andere Vorkommnisse erwarten könnte beim Betreiben einer Airline.

Dies deutet klar auf eine systematische Ablehnung hin, ohne dass die entsprechenden Agenten eine genauere Analyse des Falles vornehmen würden.

Es gibt aber auch Fluggesellschaften, welche das Gesetz respektieren und nach besten Kräften antworten mit einer glaubwürdigeren Verteilung der Begründung der Ablehnung. Generell kann aber gesagt werden, dass die Fluggesellschaften kein grosses Interesse haben an einer rechtmässigen Entschädigungszahlung an deren Passagiere und dass darauf gesetzt wird, dass der Fluggast den langwierigen Prozess früher oder später aufgibt.

Anhang 1

 

Anhang 2

 

85 % der Fluggäste kennen ihre Rechte nicht. Lassen Sie sich nicht lumpen.

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